Castello l´Ami
Castello ermöglichte mir den Einstieg in die internationale Dressurszene. Seine Schönheit und sein Bewegungstalent, besonders im Trab, Passage und Piaffe lassen den Zuschauer "dahinschmelzen". Allerdings liegen bei Castello Genie und Wahnsinn sehr eng beieinander...
Nachdem sich die jungen Pferde, die ich nach Davidoff geritten habe, nicht so entwickelten, wie wir uns das vorgestellt hatten, haben wir im Frühjahr 1999 ´s Käschtle gefunden: er war damals bereits 11-jährig und ging schon die ersten Grand Prix-Prüfungen.
Die ersten gemeinsamen Turniere waren überraschenderweise sehr turbulent, da Castello sehr "guckig" ist, - allerdings nur im Viereck, zuhause ist er ganz anständig. Dennoch habe ich mit Castello in 2000 meine ersten vorderen Platzierungen in Grand Prix Prüfungen geschafft.
2001 wurden wir (laut Bildzeitung "überraschend"!) Vizemeister bei den Baden-Württembergischen Meisterschaften. Weitere vordere Plätze und unser erster Grand Prix-Sieg in Radolfzell ermutigten mich, die Startgenehmigung für internationale Turniere zu beantragen. Mit meinem schönen Pferd durfte ich in Donaueschingen und Stuttgart internationale Turnierluft schnuppern.
2002 ging Castello immer wieder tolle Runden im Grand Prix, zeigte jedoch auch, dass bei ihm Genie und Wahnsinn nicht nur nahe, sondern hauchdünn beieinander liegen. So waren wir beim CDI in Donaueschingen überraschend im Grand Prix fünfte und waren so für den Riders Tour-Special qualifiziert. Dort war jedoch die gewalzte Mittellinie für uns als erstes Paar ein unüberwindliches Hindernis, das wir nur mit grossen Sätzen und Bucklern überwinden konnten.
2003 startete ich mit Castello voller Hoffnung in unsere erste Saison für die französische Tricolore. Saisonziel war die Teilnahme bei den Europäischen Meisterschaften in Hickstead. Dort musste ich nach einem überragenden ersten Teil im Grand Prix die schlimmsten Momente meiner reiterlichen Laufbahn erleben, als Castello sich im Schritt wie ein Käfer zusammenzog und die gesamte Galopptour nur wie ein Derwisch herumsprang. Resultat: Platz 59 von 60.
Da sich Falada in Castellos Schatten immer mehr steigerte, wurde er seitdem nur noch sporadisch international eingesetzt und erreichte insbesondere in nationalen Prüfungen noch viele schöne Erfolge. Trotzdem fand ich es immer Schade, dass er seine überragende Klasse nur ansatzweise auf internationalem Parkett zeigen konnte.
Im stolzen Alter von 28 Jahren musste Castello l´Ami im Juni 2016 nach einer heftigen Kolik von seinen Schmerzen erlöst werden. Bis dahin war er ein fröhlicher Rentner auf der Koppel, der sein Leben mit den anderen Oldies sehr genossen hat.
- Vize-Meister bei den Baden-Württembergischen Meisterschaften 2001
- Sieg im Grand Prix von Radolfzell
- 2. im Grand Prix und 3. Im Grand Prix Special beim CDI*** Saumur 2002
- 5. im Grand Prix beim CDI*** Donaueschingen 2002
- 4. im Grand Prix beim CDI*** Stuttgart 2002
Castello ist schön, ausdrucksstark und gibt ein tolles Reitgefühl. Leider ist er auch unberechenbar, oft geht er auf einem Turnier die erste Prüfung super und in der zweiten spinnt er.
Er kann geräuschvoll mit seinen grossen Augen klimpern! Castello ist sehr empfindlich mit seinem Körper, kein Haar darf krumm liegen. Buckelt meist am Anfang, wenn der Sattel nicht auf den Millimeter genau liegt.
Ich habe Castello meine ersten internationalen Erfolge zu verdanken! Aber auch: den wohl spannendsten TV-Kommentar der EM in Hickstead: "Oh, my god, it´s kind a bit of a Nightmare"...